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Wie kann Digitalisierung der Altenhilfe nutzen ?

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Der digitale Fortschritt macht sich auch in der Altenhilfe bemerkbar. Welche Möglichkeiten,  Chancen und Risiken sich durch die Digitalisierung und den digitalen Wandel für die Altenhilfe ergeben können…

Wie kann Digitalisierung der Altenhilfe nutzen ?

In den vergangenen Jahrzenten ist die Lebenserwartung in allen entwickelten Ländern merklich angestiegen. Die Kohorte der 60-80-jährigen ist weltweit vermutlich die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe. Es stellt sich die Frage, an welchen Stellen und in welchem Ausmaß der technische Fortschritt, insbesondere der digitale Fortschritt, den älteren Menschen einen Nutzen bringen kann oder ob die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, an ihnen vorüberziehen werden.

Der Begriff Digitalisierung beschreibt einen durch digitale Technologien -also Computer, Internet, Robotik oder Künstliche Intelligenz- ausgelösten, umfassenden gesellschaftlichen Wandel, der alle Lebensbereiche erfasst, u.a. beispielsweise Arbeit, Freizeit, soziale Beziehungen, Konsum und Mobilität (vgl. Kreidenweis, 2018).

Welche Auswirkungen Digitalisierung auf ältere Menschen und deren Lebenswirklichkeit haben kann, wird im Folgenden erörtert.

 

Bedeutung des digitalen Wandels und seine Auswirkungen auf ältere Menschen

Während jüngere Menschen in der Regel keine Probleme damit haben, neuen Techniken und neuen Medien unbedarft und vorbehaltlos zu begegnen, erfordert der digitale Wandel gerade von älteren Menschen erhebliche Adaptationsprozesse und stellt viele Ältere vor große Herausforderungen. Denn sehr häufig werden, einhergehend mit dem digitalen Fortschritt, jahrzehntelang eingeübte Praktiken und Verhaltensweisen durch neue Techniken zunächst ergänzt, später dann ersetzt und abgelöst. Den Umgang mit diesen neuen Instrumenten zu erlernen, kann vielen älteren Menschen Probleme bereiten. Vormals analoge Produkte wie beispielsweise Filme, Bücher, Schallplatten und CDs, Schlüssel oder sogar Geld wurden innerhalb weniger Jahre sozusagen entmaterialisiert. Wer hier nicht mithalten kann, riskiert Ausgrenzung und den Verlust gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten (vgl. Stüme & Ermel, 2019, S. 10).

Andererseits kann der digitale Fortschritt einen erheblichen Zuwachs an Möglichkeiten mit sich bringen für diejenigen, die in der Lage sind, sich diesen zu Nutze zu machen. Denn Smartphones, Smart-Watches oder Tablet-PCs sind inzwischen mit zahlreichen Funktionen ausgestattet, dass sie gerade auch für ältere Menschen sinnvoll eingesetzt werden können – selbst wenn bei den Nutzer*innen motorische Einschränkungen vorliegen. Somit kann dieser Zuwachs an Möglichkeiten durchaus auch verbunden sein mit einem Zuwachs an Autonomie und mit einer erweiterten gesellschaftlichen Integration und Teilhabe. Beispielsweise verfügt eine Smartwatch zumeist auch über eine Notruf-Funktion und ist somit ebenso gut geeignet, einen Notruf abzusetzen und zügig Hilfe herbeizuholen, wie die bekannten Notruf-Armbänder. Darüber hinaus haben Smartwatches noch eine ganze Reihe zusätzlicher nützlicher Funktionen. Von Träger*innen eines Notruf-Armbandes könnte darüber hinaus eine  damit verbundene mögliche Stigmatisierung als „potenziell hilfsbedürftig“ als unangenehm empfunden werden. Eine Smartwatch hingegen gilt eher als modern und zeitgemäß.

Weitere Auswirkungen der Digitalisierung auf Lebensbereiche älterer Menschen können sogenannte „digitale Assistenten“ mit sich bringen. Nicht zuletzt ältere Menschen mit Einschränkungen im Bereich der Mobilität könnten hiervon profitieren, wenn diese Assistenten beispielsweise eingesetzt werden zur Entgegennahme von Bestellungen, zur sprachgesteuerten Regelung von Licht, Heizung etc. Inzwischen gibt es sprechende Hausgeräte, intelligente Brillen und sogar intelligente Kleidung, die auch von älteren Menschen genutzt werden können. Bei letzteren handelt es sich um direkt an der Kleidung befestigte oder in ein Kleidungsstück integrierte Mini-Computer, die in der Lage sind, bestimmte Vitalwerte über das Internet zu übermitteln, verwirrte Menschen über GPS-Sensoren leichter wieder auffinden zu können oder auch um bei einem Sturz schneller Hilfe herbeiholen zu können.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie die Digitalisierung für ältere Menschen sinnvoll eingesetzt werden kann, ist die Nutzung bestimmter Anwendungen, die zum Teil speziell für Bedürfnisse von Senioren entwickelt wurden. So existieren Apps, über die man online Lebensmittel einkaufen kann, solche die den Nutzer an eine regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnern sowie solche, die ganz allgemein auf den Erhalt der Gesundheit der älteren Menschen abzielen. Es gibt Apps, die die Gedächtnisleistungen älterer Menschen trainieren und idealerweise auch verbessern können. Manche Senioren-Fahrdienste sind über eine mobile App erreichbar. Eine weitere, für manche Senioren nützliche Anwendung ermöglicht das schnelle Auffinden öffentlicher Toiletten.

 

Möglichkeiten der Digitalisierung zur Überwindung von Einsamkeit im Alter

Einsamkeit und Isolation gelten als große Herausforderung in Verbindung mit den Prozessen der Bewältigung des Alterns. Viele Menschen im hohen Alter fühlen sich einsam und isoliert. Die Möglichkeiten des digitalen Fortschritts können auch hier einen durchaus nützlichen Beitrag zur Überwindung des Gefühls von Einsamkeit leisten.

  • Die allseits bekannten und oft kritisierten sozialen Medien können dazu dienen, soziale Kontakte zu weiter entfernt lebenden Familienmitgliedern oder Freund*innen herzustellen oder auch aufrecht zu erhalten.
  • Sogenannte Instant-Messaging-Dienste bieten auch älteren Menschen die Möglichkeit für Video-Telefonate.
  • Online-Single-Börsen für Senioren können auch älteren Menschen die Möglichkeit bieten, einen Partner zu finden.
  • Speziell an Menschen, die aufgrund altersbedingter Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, mit digitalen Medien umzugehen, richten sich Dienste, mit deren Hilfe man Texte oder Fotos per App an einen Server senden kann, wo diese Inhalte in analoge Medien umwandelt und dem Empfänger in einer für ihn geeigneten Weise, beispielsweise in Papierform als eine Art „Zeitung“ zur Verfügung gestellt werden.

 

Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Altenhilfe

Kontrovers diskutiert wird der Einsatz sogenannter „sozialer (auch emotionaler) Roboter“ im Zusammenhang mit der Versorgung demenzkranker Menschen. Gegner des Einsatzes solcher Roboter, die meist in Form von Kuscheltieren oder Puppen angeboten werden, argumentieren, dass diese einen Betrug an den Emotionen der betroffenen Menschen darstellten, da  Maschinen nicht in der Lage sind, wirkliche Emotionen zu produzieren. Befürworter*innen argumentieren damit, dass soziale Roboter lernfähig seien, auf Stimmen reagieren könnten und in der Lage seien, die Stimmung Demenzkranker zu verbessern, Angst und Schmerzen reduzieren und das Gefühl von Einsamkeit reduzieren könnten.

Seit einigen Jahren wird an der Entwicklung sogenannter „Humanoider Roboter“ geforscht, die vornehmlich in Betreuungssettings in Altenpflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen können. Hier sind vielversprechende Ansätze vorhanden, die – immer im Hinblick auf ethisch vertretbare Umstände – eine ganze Bandbreite von Unterstützungemöglichkeiten bieten können.

Unter den Pflegenden herrscht diesbezüglich nicht nur aufgrund ethischer Bedenken eine große Skepsis gegenüber dem Einsatz von Robotik in der Altenhilfe. Vielfach werden Bedenken geäußert, dass humanoide Roboter menschliche Pflegekräfte zukünftig überflüssig machen könnten. Im Vordergrund steht also die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes und nicht die potentielle Erleichterung der alltäglichen Arbeit. Vor dem Hintergrund des weit verbreiteten Pflegekräftemangels erscheinen solche Bedenken jedoch eher unbegründet. (Dem Autor ist nicht bekannt, dass die Einführung arbeitserleichternder Hilfsmittel,  beispielsweise von „Hebeliftern“, die zur Umlagerung oder zum Transfer pflegebedürftiger Personen eingesetzt werden, in der Vergangenheit zu einem Abbau von Arbeitsplätzen in der Pflege geführt haben sollte.) Unabhängig davon wird die zukünftige Akzeptanz von Robotern bei den Pflegenden, deren berufliches Selbstverständnis auf den Grundsätzen personenzentrierter Handlungsasätze beruht, sehr stark von überzeugenden Argumenten abhängen. Bei einem sinnvollen und behutsamen Einsatz, könnten Roboter jedenfalls auch in der Altenpflege durchaus nützliche Dienste erfüllen.

Aus der Altenpflege sind immer wieder Beschwerden über einen zu hohen Aufwand an Dokumentationtätigkeiten zu vernehmen. Es bliebe viel mehr Zeit für die Arbeit am Menschen, wenn es möglich wäre, hier Zeit einzusparen. Könnte nicht genau dort, in der Unterstützung bei der Dokumentation, ein zukünftiges Anwendungsfeld für Künstliche Intelligenz zu finden sein?

Relativ neu im Einsatz in der Altenhilfe ist die VR-Technologie (VR= Virtual Reality). VR-Technik kann eingesetzt werden im Rahmen sozialer Betreuungsangebote, beispielsweise zum Erreichen von Entspannungszuständen. So können sich Bewohner von Altenheimen beispielsweise mit Hilfe von VR-Brillen auf virtuelle Reisen begeben, an Orte, die sie immer schon gerne einmal besucht hätten oder an Orte, an die sie positive Erinnerungen haben, die so wieder wach gerufen werden. VR-Technik kann einen Beitrag zur Verbesserung der Mobilität im Alter haben, sie kann zu mehr Bewegung motivieren durch das Angebot, auf Fahrrad-Ergometern von großen Bildschirmen durch ansprechende Landschaften oder bekannte Orte zu radeln.

Auch im Rahmen der Arbeit mit demenzkranken Menschen ist der Einsatz von VR denkbar, insbesondere wenn es um eine Erweiterung der bekannten Methoden der Erinnerungsarbeit. Mithilfe von VR können beispielsweise Orte besucht werden, wie sie die Betroffenen aus ihrer Jugend kennen und somit einen Beitrag zur Steigerung des Wohlbefindens oder der geistigen Anregung leisten.

Neuere psychotherapeutische Ansätze sind im Zusammenhang mit VR enstanden. So wird die Methode des „Neuro-Feedback“ mit Unterstützung von VR derzeit bei geroResearch in Zusammenarbeit mit der Universität Kaiserslautern erprobt, wo unter anderem Entspannungstechniken in realitätsnah nachgebildeten VR-Umgebungen erlernt werden können. Es gibt Hinweise darauf, dass Neurofeedback bei schwer behandelbaren Depressionen bei älteren Menschen eine effektive Alternative darstellt.

 

„Lifelong Learning und Digitalisierung“

Wie die Gerontologie und die Psychologie gezeigt haben, sind Menschen lebenslang zu Lernprozessen in der Lage. Die Generation derer, die sich gerade in „der Mitte ihres Lebens“ befindet, ist es bereits gewohnt, sich beständig neues Wissen und neue Kenntnisse anzugeignen. Wichtig ist, dass sich die Akteure in den Bildungseinrichtungen für ältere Menschen auf die Bedürfnisse ihrer Besucher*innen in der Form einstellen, dass die Angebote Schritt halten mit einer immer zügiger voranschreitenden Entwicklung der digitalen Welt. Wo noch vor ein paar Jahren von einem Internet-Führerschein die Rede war, könnte heute der Umgang mit sozialen Medien, die Anwendung von Apps für Smartphones und Tablet-PCs oder das Erlernen des Umgangs mir VR-Brillen vermittelt werden.

 

Ausblick

Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Robotik und VR werden auch in der Seniorenarbeit und in der Altenpflege zunehmend an Bedeutung gewinnen. Daher sollten die Akteure die Möglichkeiten und die Grenzen kennen, die diese neuen Welten bieten.

gero wird sich dieser spannenden Thematik weiter annähern und die zukünftige Entwicklung in den Bereichen Forschung und Fortbildung sehr genau verfolgen.

 

Literatur:

Kreidenweis, H. (2018). Digitalisierung (online). socialnet Lexikon. Bonn: socialnet. https://www.socialnet.de/lexikon/Digitalisierung (Zugriff am 19.07.2021)

Stüwe, G. & Ermel, N. (2019). Lehrbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Weinheim: Beltz Juventa.

 

Jörg Bidinger

 

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